Abstract
Früherkennung der Präeklampsie Early detection of preeclampsia Die Pathogenese der Präeklampsie ist noch immer nicht
endgültig geklärt. In keinem anderen Bereich der Geburtsmedizin
sind jedoch innerhalb des letzten Jahrzehnts so
große Fortschritte gemacht worden. Insbesondere die
Entdeckung der Bedeutung der angiogenen und antiangiogenen
Faktoren für die Pathogenese der Präeklampsie
konnte neue Instrumente für Diagnose und Früherkennung
hervorbringen, die schon jetzt im klinischen Alltag
genutzt werden können. Die Bestimmung von plazentarem
Wachstumsfaktor (PlGF) und löslicher fms-like Tyrosinkinase
1 (sFlt-1) im peripheren Blut der Mutter kann zur
Diagnostik und Früherkennung der Erkrankung genutzt
werden. Der klinische »Goldstandard«, der in der Mitte des
vergangenen Jahrhunderts als solcher eingeführt wurde,
reflektiert die neuen Erkenntnisse über die Pathophysiologie
der Erkrankung noch nicht. Es ist bekannt, dass Blutdruck
und Proteinurie eine schwache Vorhersagekraft
für das Auftreten Präeklampsie-bedingter mütterlicher
oder kindlicher Komplikationen haben. Die zusätzliche
Bestimmung des sFlt-1/PlGF-Quotienten kann die Frauen
mit einem erhöhten Risiko identifizieren. Aktuell werden
Algorithmen, die aus dem Ersttrimesterscreening für
Chromosomenaberrationen bekannt sind, für die Präeklampsie-
Früherkennung evaluiert. Eine Kombination
aus Anamneseerhebung, Blutdruckmessung, Dopplersonografie
beider uteriner Arterien sowie der Bestimmung
von plazentarem Protein A (PAPP-A) und PlGF kann bereits
im Rahmen des Ersttrimesterscreenings (11–14 SSW) eine
hohe Anzahl der Patientinnen detektieren, die später eine
Präeklampsie entwickeln. Eine Prophylaxe mit Acetylsalicylsäure
(z. B. Aspirin®) kann bei frühem Beginn einem
Auftreten der Erkrankung vorbeugen. Eine frühe Risikoselektion
ist heute erstmals möglich und verspricht so
über die Zuführung einer Patientin mit erhöhtem Risiko
in eine intensivierte Überwachung eine Reduktion von
maternaler und fetaler Morbidität und Mortalität. Eine
Pilotstudie konnte zeigen, dass Patientinnen mit früher
Präeklampsie von einer selektiven Entfernung von sFlt-1
profitieren können, indem eine Verlängerung der Schwangerschaft
erreicht werden konnte. Sollten prospektivrandomisierte
Studien die Wirksamkeit des Verfahrens
bestätigen, stünde erstmals eine semikausale Therapie
der Erkrankung zur Verfügung. Stefan Verlohren Klinik für Geburtsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin Reviewer: Ulrike Friebe-Hoffmann, Ulm, und Ekkehard Schleußner, Jena
Verlohren S. Früherkennung ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2013; 9(2): 126–141 publiziert 31.07.2013 www.akademos.de/gyn ©akademos Wissenschaftsverlag 2013 ISSN 1614-8533
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