Abstract
Gonadendysgenesie Gonadal dysgenesis Störungen der sexuellen Differenzierung (»disorders of
sexual development«, DSD), früher als intersexuelle Störungen
bezeichnet, umfassen verschiedene Krankheitsbilder,
bei denen die Entwicklung des chromosomalen, gonadalen
und phänotypischen Geschlechts verändert ist. DSD können
in vier Gruppen unterteilt werden: XX-DSD mit zwei
Ovarien (früher: Pseudohermaphrodismus femininus),
XY-DSD mit zwei Hoden (früher: Pseudohermaphrodismus
masculinus), ovotestikuläre DSD mit ovariellem und testikulärem
Gewebe und die Gonadendysgenesien.
In der vorliegenden Arbeit sollen nur die Gonadendysgenesien
behandelt werden. Unter diesem Begriff werden
verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst, bei
denen die Differenzierung der Urgonaden zu reifen Gonaden
ausbleibt. Hierzu zählen die reinen Gonadendysgenesien
(46,XX oder 46,XY = Swyer-Syndrom mit bilateralen
Streakgonaden), die gemischten Gonadendysgenesien
(mit Mosaik 45,X0/46,XY etc. mit einseitigen Stranggonaden)
und das Ullrich-Turner-Syndrom (Monosomie X0).
Dysgenetischen Testes liegen multifaktorielle und komplexe
Syndrome mit einem breiten Spektrum an phänotypischer
Ausprägung zugrunde, von moderater Spermiendysfunktion
bis hin zu schwerwiegenden Störungen der
sexuellen Entwicklung und Differenzierung. Patienten
mit XY-Gonadendysgenesien haben ein erhöhtes Risiko,
an malignen Keimzelltumoren wie dem Dysgerminom
und dem Gonadoblastom zu erkranken.
Das Ullrich-Turner-Syndrom ist eine Form des DSD, das mit
einer numerischen Chromosomenaberration (45,X0 oder
Mosaik) einhergeht und mit einer Häufigkeit von 1 : 2500
lebend geborenen Mädchen auftritt. Das Ullrich-Turner-
Syndrom ist mit reduzierter Körperendgröße, Gonadendysgenesie
und als deren Folge meist primärer Amenorrhö
bzw. ovarieller Insuffizienz sowie auch anderen Stigmata
assoziiert. Das Fehlen der ausgereiften Follikel in den Ovarien
führt fast immer zur Sterilität. Katrin Lenglinger1, Anna Erk1, Binta Leigh3, Christoph Dorn2, Uwe Ulrich1 1 Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin 2 amedes experts Hamburg, Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch, Pränatale Medizin, Endokrinologie und Osteologie, Hamburg 3 Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Städtisches Klinikum Brandenburg, Brandenburg an der Havel Reviewer: Marion Lübke, Stuttgart, und Cordula Schippert, Hannove
Lenglinger K. Gonadendysgenesie … Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2016; 12(2): 100–112 publiziert 31.07.2016 www.akademos.de/gyn ©akademos Wissenschaftsverlag 2016 ISSN 1614-8533
|